dis|placed

2001-06

Fotografie 50x70cm

Videoperformance 2001/2010

Edition 3 + I

 

A project about the construction of national identity with regard to "national" landscapes and to the effect of the gaze of the cultural other. It was Performed and photographed in different European countries.

 

„dis|placed“ reflektiert die Produktion von Nationaler Identität im Zusammenhang mit Orten „nationaler“ Bedeutung einerseits. Andererseits entsteht Identität auch mit und durch den Blick des Anderen.

 

Eine in ein blau-weißes Kitsch-Dirndl gekleidete Frau ist vor Landschaften und Orten platziert, zu denen sie offensichtlich nicht gehört. Als Österreicherin, die sie ist, blickt sie verwundert auf das Meer, mediterrane Gebäude und andere ihr ungewohnte Aussichten, die ihr keine „Heimat“ sind. Sie ist sich ihrer Fremdheit bewusst, umso mehr, als das die "Anderen" ihre vorgeformten Vorstellungen auf sie projizieren.

 

Fotografien aus England, Dänemark, Deutschland, Frankreich, Italien, Spanien, Irland, Schweiz, Finnland and Griechenland, Schweden, Norwegen, Malta, sowie Videoperformance (Blackpool/GB).

 

„Ausgehend von den Migrationsbewegungen in der globalisierten Wirtschaftswelt und der Möglichkeit, sich scheinbar innerhalb Europas fast überall niederzulassen zu können, setzt sich die Linzer Fotokünstlerin Gerlinde Miesenböck in ihren Arbeiten mit der Frage auseinander, ob jedes Land auch eine neue Heimat sein kann. Gerade durch die ökonomischen Bedingungen in der Arbeitswelt ist der Mensch mit zunehmender Tendenz dem Spannungsfeld des Weggehens und Ankommens, also der ständigen Entwurzelung als Folge eines Bedürfnisses dazu, neue Wurzeln zu schlagen, ausgesetzt. Der Begriff ‚Heimat' ist für Miesenböck relevant, da er nach wie vor als Stifter von Identität gilt. Die Frage nach der Möglichkeit einer authentischen Form von Identität stellt sich oftmals ein, wenn Heimat in der Fremde immer fremder und die Fremde immer vertrauter wird. Heimat wird dann zu einem imaginären Ort, an dem Innen- und Außenwelt miteinander verbunden sind, an dem Subjekt und Umgebung sich wechselseitig bedingen. Nomadenartig stets auf der Suche nach einem Platz in der „neuen“ Gesellschaft, wird man häufig mit der eigenen Fremdheit und Andersartigkeit, insbesondere aber mit Vorurteilen und Klischees, konfrontiert. 

Der Verlust von Heimat und die hiermit einhergehende kulturelle und emotionale Entwurzelung ist für viele Menschen eine radikale und schmerzhafte Erfahrung, die nachhaltig prägend ist. So (er)leben Flüchtlinge, Arbeitsmigranten, Gastarbeiter und deren Kinder oftmals eine Form der Identität, die zwischen Isolation und Integration angesiedelt ist. 

Gerlinde Miesenböck hinterfragt mit ihrer Fotoserie „dis|placed“ kritisch die Authentizität einer österreichischen Identität bzw. jene, welche gerne vom Heimatfilm oder der Tourismuswerbung beschönigend vermittelt wurde bzw. immer noch wird. Die Fotoserie dokumentiert eine junge Frau in einem Kitschdirndl der 50er Jahre, die einem Heimatfilm oder dem Musical „The Sound of Music“ entsprungen sein könnte und die ebenso die klischeehaften Vorstellungen von Österreich repräsentiert. Die hier scheinbar und rollenartig vorgegebene österreichische Identität der jungen Frau wird in den Fotos unterlaufen, da die verschiedenen Plätze, Landschaften und Stätte, die von ihr aufgesucht werden, außerhalb ihrer Heimat liegen. Ein Meer, wie es z.B. auf einem der Ausstellungsfotos zu sehen ist, gibt es in Österreich weit und breit nicht und auch ein Stadion, in dem seit Jahrzehnten Stierkämpfe veranstaltet werden, sucht man in Österreich vergebens. Die junge Frau bleibt daher im wesentlichen einsam, befremdet, verwundert und suchend in ihrer Umgebung zurück. Die Serie schöpft ihre Dynamik aus den Gegensätzen von Heimat und Fremde, Innen- und Außenwelt, Selbst- und Fremdbildern. 

Die Thematik des Fremdseins und die hiermit verbundene Frage nach der Möglichkeit einer authentischen Art von Identität hat Gerlinde Miesenböck selbst während eines Studienaufenthaltes in Manchester (2001) erfahren, wo sie die Serie zunächst als Sesshafte, Zugewanderte, später als Umherreisende begonnen hat. Die inhaltiche Auseinandersetzung mit der Thematik des Fremdseins, selbst im eigenen (Heimat-)Land, begann jedoch schon ein Jahr vorher und wurde durch den damaligen Wahlerfolg der FPÖ, vor allem aber aufgrund der Beteiligung des Kärntener Landeshauptmanns Jörg Haider an der Regierung motiviert, als die politische und wirtschaftliche Boykottierung der anderen EU-Mitglieder drohte. 

Die Serie umfasst Fotografien, die in England, Schweden, Dänemark, Deutschland, Frankreich, Spanien, Italien, Irland und Griechenland entstanden sind und wird ständig erweitert."

 

Nicole Hohmann, Frankfurt